Digitalisierung in der Landwirtschaft

Wenn es um die Einführung neuerer Techniken geht, tun sich manche Branchen schwer. Was in einigen besser geht, kann in der traditionellen Landwirtschaft schon mal 10 Jahre dauern. Doch anscheinend scheint die Agratechnik auf einen guten Weg zu sein, wie luckx – das magazin recherchierte.

Kompatibilität

Wie fast überall, ist Datennutzung nicht durchgängig möglich. Immer gibt es irgendwo eine Schnittstelle, an der dann der Datenfluss nicht möglich ist. Sei es in Kliniken, wo 5.000 Programme nicht miteinander kommunizieren können, weil es keine Schnittstellen gibt und Patienten vom Empfang bis zum Krankenbett mindestens fünf Mal ihre Daten angeben müssen und jedes Mal ein Mitarbeiter die Daten in ein anderes System einträgt. Fehler inbegriffen. Doch es geht auch anders – wenn auch etwas ruckelig. Trotzdem werden heute in breitem Umfang digitale Prozesse in der Praxis eingesetzt, wo sie konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben gleichermaßen Vorteile bringen. Die Nutzung von Daten mithilfe digitaler Technologien versetzt Betriebsleiter der Landwirtschaft in die Lage, fundierte Entscheidungen zu treffen, Betriebsmittel effizienter einzusetzen und die Dokumentation zu vereinfachen, um rentabler und nachhaltiger zu wirtschaften. Deswegen wird die Digitalisierung im Pflanzenbau ein bestimmendes Thema der Agritechnica 2025. Die Weltleitmesse für Landtechnik findet vom 9. bis 15. November auf dem Messegelände in Hannover statt. Diesjährigen Leitthema: „Touch Smart Efficiency“. Damit soll der direkte Zugang zu innovativen, vernetzten landwirtschaftlichen Systemen geschaffen werden. Ziel ist es, durch digitale Technologien Effizienz, Nachhaltigkeit und Produktivität zu steigern.

Vernetzung

In den letzten Jahren hat das digitale Expansionstempo infolge fortschrittlicher Sensortechnik und Cloud-Anwendungen weiter angezogen. Die intelligente Vernetzung von Produktionsprozessen findet dabei nicht nur auf den landwirtschaftlichen Betrieben statt, sondern auch im vor- und nachgelagerten Bereich und damit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Somit bietet die Digitalisierung ein effizientes Werkzeug, das dem Landwirt und der gesamten Wertschöpfungskette dazu verhilft, ihre ökonomischen und ökologischen Anforderungen zu verfolgen. Landwirte ergreifen zunehmend die Chancen der Digitalisierung und die damit verbundenen Vorteile. Das zeigt eine Studie des Digitalverbands Bitkom und der DLG aus dem Jahr 2024. Demnach bringen bereits 36 Prozent bzw. 30 Prozent der Höfe Düngemittel bzw. Pflanzenschutzmittel teilflächenspezifisch aus. Vorausschauende Wartung, zum Beispiel für Landmaschinen, setzt ein Viertel der Betriebe ein. Laut der Studie hat der Einsatz digitaler Technologien im Ackerbau von 2022 bis 2024 grundsätzlich zugenommen. Am verbreitetsten sind demnach GPS-gesteuerte Landmaschinen, die bereits 69 Prozent der Betriebe einsetzen, gefolgt von digitalen Ackerschlagkarteien.

Die Nutzung digitaler und smarter Technologien in der Landwirtschaft wird mit dem Begriff Smart Farming zusammengefasst. Nach Angaben der Expertenkommissionen Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung werden dabei sowohl die von vernetzten Geräten erfassten Daten als auch deren Verarbeitung mit weiteren kontextspezifischen Daten genutzt, um Landwirte bei betrieblichen Entscheidungen zu unterstützen oder diese zu automatisieren. Das Aufgabenspektrum reicht dabei von der automatisierten Datenerfassung über die Optimierung der Betriebsplanung bis hin zu einer effizienteren Gestaltung der Buchhaltung.

Vorteile

Digitale Technologien können verschiedenen Nutzen bieten, hinsichtlich der Qualität der Arbeit und der Ernteprodukte ebenso wie mit Blick auf ökologische und ökonomische Kriterien. Weiche Faktoren wie eine verbesserte Work-Life-Balance werden auch gefördert. Nicht zuletzt wirken sich ein geringerer Betriebsmitteleinsatz und die gesteigerte Produktivität auch positiv auf die Einkommen aus und können zur Stabilisierung der Einkommenssituation der Betrieb beitragen. Hier Beispiele, wie die Digitalierung schon heute eingesetzt werden kann.

Fahrerassistenzsysteme auf Mähdreschern überwachen permanent die Qualität des geernteten Erntegutes (Bruchkorn, Besatz) und passen bei Bedarf Dreschkorbabstand und Dreschtrommeldrehzahl automatisch an.

Sensortechnik auf Einzelkornsämaschinen überwacht zusammen mit automatisierten Dosiereinrichtungen die Ablagequalität (Längsverteilung, Doppel-, Fehlbelegungen etc.) und reguliert bei Bedarf nach.

NIRS-Sensoren am Güllefass erfassen die Inhaltsstoffe des Wirtschaftsdüngers, wodurch eine bedarfsgerechte Pflanzenernährung erfolgen kann.

NIRS-Sensoren am Feldhäcksler erfassen die Qualität der Ernteerzeugnisse, woraus die Tierernährung ihren Nutzen ziehen kann.

Der Ersatz papierbasierter Betriebsführung durch einen datengetriebenen Ansatz reduziert den hohen manuellen Aufwand für Routine- und Dokumentationsaufgaben drastisch und setzt wertvolle Zeit und Ressourcen frei.

Farm-Management-Informationssysteme (FMIS) unterstützen durch automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung Betriebsleiterinnen und -leiter bei der Planung, Überwachung, Dokumentation und Optimierung von Betriebsprozessen, beispielsweise durch automatisiert erstellte Ackerschlagkarteien.

GPS-gestützte Lenksysteme sparen Zeit zum Beispiel beim Wendevorgang, entlasten die Fahrer, sorgen für eine höhere Arbeitsqualität und ermöglichen exzellente Arbeitsergebnisse auch bei Nacht.

Die automatisierte, teilflächenspezifische Ausbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln nach digitalen Applikationskarten bietet die Möglichkeit des effizienteren Einsatzes von Betriebsmitteln, welches gleichzeitig Einfluss auf die Betriebskosten nimmt. Die Wirkung von teilflächenspezifischer Bewirtschaftung ist umso größer, je heterogener die Flächen sind.

Unzureichende Kompatibilität und Netzanbindung

Daten sind das Fundament für eine Digitalisierung von Prozessen in der Landwirtschaft. Entscheidend dafür ist ein reibungsloser Datenaustausch zwischen allen technischen Komponenten und Geschäftspartnern. Derzeit werden digitale Lösungen noch stark von Insellösungen unterschiedlicher Hersteller geprägt. Eine Vernetzung mit Systemen und Anwendungen anderer Anbieter ist häufig nicht oder nur eingeschränkt gegeben, da passende Schnittstellen oder Datenstandards fehlen. Derartige Kompatibilitätsprobleme erschweren die Arbeit der Landwirte und sorgen dafür, dass das technische Potenzial digitaler Lösungen in vielen Fällen nicht voll ausgeschöpft werden kann. Ein weiterer begrenzender Faktor für eine beschleunigte Umsetzung digitaler Prozesse in der Praxis ist nach wie vor die unzureichende Mobilfunknetzabdeckung in vielen ländlichen Gebieten. Häufig sind nur schmalbandige Netzzugänge mit niedrigen Datenraten vorhanden, die eine Nutzung vieler echtzeitfähiger, aber auch datenintensiver Anwendungen nicht ermöglichen. Mitunter ist überhaupt keine Mobilfunkversorgung gegeben. Das macht den Breitbandausbau zu einer wesentlichen Zukunftsfrage für ländliche Räume.

Akzeptanz

Damit die Digitalisierung zügig und flächendeckend in der Landwirtschaft umgesetzt werden kann, müssen letztlich auch diejenigen überzeugt werden, die noch Zweifel an ihr haben. Insbesondere kleine und mittlere Betriebe sehen den oft hohen Investitionsbedarf als Einstiegshürde. Datenschutz und Datenhoheit, die Schnittstellenproblematik, mangelnde Anwenderfreundlichkeit und fehlendes IT-Know-how sind weitere häufig genannte Akzeptanzhemmnisse. Um den digitalen Wandel in der Landwirtschaft erfolgreich zu gestalten, müssen erforderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Akzeptanz zu schaffen. Die Schaffung finanzieller Anreizsysteme kann dazu ebenso zählen wie der überbetriebliche Einsatz digitaler Technik in Form von Maschinengemeinschaften. Des Weiteren gilt es, die Digitalkompetenz von Landwirten mit passenden Beratungs-, Aus- und Weiterbildungsangeboten zu stärken, damit diese die Vorteile der sich rasant entwickelnden digitalen Technologien umfassend nutzen können.

Fazit

Gern wird bei aller Technologie vergessen, dass es um die Ernährung der Bevölkerung geht. Je mehr und je besser landwirtschaftliche Produkte in hoher Qualität geerntet und verarbeitet werden können, desto geringer ist die Verschwendung schon auf dem Feld und beim Transport zum Lagerhaus. Denn es wird bei aller Digitalisierung gern übersehen, dass schon bei der Ernte es nicht um Digitalisierung geht, sondern um die Versorgung der Menschen mit qualitativ gesunden und hochwertigen Produkten. Wenn wir die Produktverluste und Verschwendung vom Feld auf den Teller von bisher 50 Prozent deutlich reduzieren, müssen wir keine Preiserhöhungen befürchten, Landwirte und der Handel keine Einnahmeverluste. Und der Staat muss auch die Mehrwertsteuer nicht reduzieren.