Wer mit einer persönlichen Dienstleistung zufrieden ist, möchte gern über den Rechnungsbetrag hinaus dem Mitarbeiter etwas zukommen lassen: Das sogenannte Trinkgeld. Doch wie viel sollte es denn sein, fragt luckx – das magazin?
Trinkgeld geben?
Trinkgeld ist bereits im späten Mittelalter in Deutschland nachgewiesen. Den Ursprung des Wortes kann man darin sehen, dass der Spender das Geld mit dem Wunsch gab, man möge es auf sein Wohl vertrinken. Auch im 1669 erschienenen Roman Simplicius Simplicissimus von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen wurde das Trinkgeld erwähnt. In seinem Buch Über den Umgang mit Menschen riet Adolph Knigge im Jahre 1788, „dem Wagenmeister ein gutes Trinkgeld zu geben“. Ebenfalls im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm wurde 1854 darauf hingewiesen, dass „trinckgeld“ schon im 14. Jahrhundert überreicht wurde; es definierte Trinkgeld als „kleinere Geldsumme für außer der Regel geleistete Dienstverrichtung, ursprünglich zum Vertrinken (bibale), auch Biergeld genannt“. So lässt sich erkennen, dass mit der Tauschwährung Geld auch das Trinkgeld bei uns Einzug gehalten hat. Nun zeigt eine aktuelle Studie der Hochschule Fresenius, dass die soziale Norm des Trinkgeldgebens in traditionellen Bereichen wie dem Taxigewerbe und Handwerk erodiert. Gleichzeitig verändert die digitale „Trinkgeldtaste“ den psychologischen Vertrag zwischen Gast und Servicekraft grundlegend. So wird das „Stimmt so“ leiser. Das liegt nicht nur an der fehlenden Münze im Portemonnaie. In einem aktuellen wissenschaftlichen Beitrag und der Studie kommt es zu einem überraschenden Ergebnis: Was in der allgemeinen Wahrnehmung lange als ungeschriebenes Gesetz galt, etwa das Trinkgeld für den Handwerker oder im Taxi, ist für viele Deutsche heute keine Selbstverständlichkeit mehr.
Ende alter Gewohnheiten
Während das Trinkgeld im Restaurant weiterhin fest verankert ist, bröckelt die Zahlungsmoral in anderen Dienstleistungsbereichen massiv. Die Ergebnisse einer Umfrage bestätigen, dass die soziale Erwartungshaltung sinkt: Während der Obolus im Restaurant (82 %) und bei Lieferdiensten (66 %) für die Mehrheit der Deutschen zum guten Ton gehört, erodiert die Bereitschaft in anderen Branchen. Nur noch jeder zweite Deutsche empfindet Trinkgeld beim Taxifahren als üblich; bei Handwerkern (35 %) und im Pflegebereich (26 %) ist es mittlerweile die Ausnahme. Ein weiterer Fokus der Untersuchung liegt auf der Digitalisierung des Bezahlens. Entgegen der öffentlichen Debatte um die Trinkgeldtaste geben 43 % der Kartenzahler an, die digitale Trinkgeldabfrage in Kartenlesegeräten außerhalb von Restaurants bislang noch nicht gesehen zu haben. Dennoch verändert die Technik die Interaktion qualitativ. Denn weiterhin gilt in Deutschland der Grundsatz der Freiwilligkeit. Wenn man nichts gibt, passiert nichts. Zwar wird der Gast am Kartenterminal aktiv aufgefordert, eine Entscheidung zu treffen. Das erzeugt einen psychologischen Druck, den es beim Bargeld nicht gab.
Die Studie differenziert hierbei stark: Während die Taste im Restaurant mit Service am Tisch oft als hilfreiche „Eselsbrücke“ gegen das Vergessen wahrgenommen wird, kann sie in schnellen „To-Go“-Situationen mit wenig bzw. keinem Service (z. B. in der Bäckerei) schnell als unangemessen empfunden werden.
Über die Studie
Der Beitrag „Stimmt so! Relevanz und Einflussfaktoren von Trinkgeld“ erscheint in der Ausgabe 12/2025 der Zeitschrift WiSt – Wirtschaftswissenschaftliches Studium. Die beiden Statistiken basieren auf einer neuen, repräsentativen Umfrage, die im Oktober 2025 durch das Marktforschungsinstitut Appinio im Auftrag der Autoren mit 750 Teilnehmern durchgeführt wurde.