Einen Medaillenregen konnte die deutschen Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Spielen Paris 2024 nicht über sich ergehen lassen. Trotzdem fuhren 111 Athleten wieder mit einer Medaille um den Hals zurück in die Heimat. Doch was ist mit den Anderen? Wie gehen sie mit dieser „Niederlage“ um. luckx – das magazin suchte nach einer Erklärung.
Freud und Leid
Die Olympischen Spiele sind immer noch für Sportler und Zuschauer ein großes Ereignis. Auch wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) durch Korruption und zweifelhaften (politischen) Entscheidungen auffällt. Doch den Athlet dabei zuzuschauen, wie sie in ihren Disziplinen Bestleistungen erbringen,begeistert immer wieder die Menschen vieler Länder. Doch auch kollektives „Mitleiden“ und auch Enttäuschungen gehörten dazu. Im Sport, wie auch im Leben eines jeden Einzelnen. Mit Niederlagen müssen wir alle umgehen. Denn wir alle scheitern von Zeit zu Zeit. Wobei man bei den Olympischen Spielen natürlich bemerken muss, dass allein die Qualifikation zu diesen ein Riesen-Erfolg ist. So ist es im Sport wie im normalen Leben: Freud und Leid liegen dicht beieinander. So gingen tausende Sportler, die ebenfalls mit großen Hoffnungen angetreten waren, leer aus. Wie sie es schaffen, solche „Misserfolge“ zu verarbeiten, ist Teil des Leistungssport. Der verschafft insbesondere Leistungssportler eine besondere Eigenschaft, immer wieder nach vorn zu schaffen und auch nach einer Niederlage „aufzustehen“ und weiter zu machen.
Bewältigungsstrategien
So haben Sportler gelernt, ihre eigenen Bewältigungsstrategien zu entwickeln; sowohl für Niederlagen als auch für Siege. Eine der Medaillenhoffnung ist – besser war – die amtierenden Judo-Weltmeisterin und Olympia-Teilnehmerin Anna-Maria Wagner. Die 28-jährige ging als Fünftplatzierte bei den Olympischen Spielen leer aus. Sie verletzte sich bereits im Viertelfinale am Knie so nachhaltig, dass sie nicht mehr am Teamwettkampf teilnehmen konnte und auch den Rest des Jahres kein Turnier mehr bestreiten wird. Das ist sehr ärgerlich. Wie sie mit so einer Enttäuschung umgeht, hat sie eigene Strategien entwickelt. So stellt sie fest, dass im Sport vieles passieren kann. Wenn einmal ein Misserfolg da ist, versucht sie einfach zu schauen, woran es gelegen hat, was sie verbessern kann, um beim nächsten Mal wieder die erwartete Leistung zu erbringen. Einfach weiter hart zu trainieren, auf ihrer Linie zu bleiben und irgendwann, das weiß sie genau, zahlt sich das ganze Training aus.
Harte Arbeit
Und von dieser inneren Stärke, zehren viele Profi-Sportler weiß Sportpsychologin Berit Kauffeldt. Sie hat festgestellt, dass Leistungssportler, insbesondere Olympiateilnehmer, häufig ein sogenanntes Growth Mindset entwickeln, ein Konzept, das von der Psychologin Carol Dweck geprägt wurde. Ein Growth Mindset ist die Überzeugung, dass Fähigkeiten und Intelligenz durch harte Arbeit, Lernen und Ausdauer verbessert werden können. Sportler mit diesem Mindset sehen Niederlagen als Chancen für Wachstum und Verbesserung. Anstatt Misserfolg als festen Zustand wahrzunehmen, erkennen sie, dass sie aus Fehlern lernen und ihre Leistung zukünftig steigern können. Am Anfang tut es aber natürlich trotzdem immer weh.
Was weiterhin hilfreich sein könnte, ist laut Kauffeldt ein Selbstmitgefühl. Leider, so die Sportpsychologin, ist nicht immer die Stärke von Leistungssportlern. Es beinhaltet, freundlich zu sich selbst zu sein, insbesondere in Zeiten des Scheiterns oder Leidens. Es ermutigt Sportler, sich selbst zu unterstützen, anstatt sich selbst übermäßig zu kritisieren. Wer für sich im Scheitern mit Verständnis und Geduld selbst begegnen, dann können Sportler stressvolle Ereignisse mit mehr Gelassenheit und weniger Selbstvorwürfen bewältigen. Dies stärkt die emotionale Ausdauer und fördert eine positive Bewältigungsstrategie. Weitere Stützen des Konzepts sind Achtsamkeit und „gemeinsame“ Menschlichkeit. Das bedeutet, dass Niederlagen zum Leben jedes Menschen dazugehören und für alle schwierig sind.
Wachstum und Selbstmitgefühl
Ideal ist die Kombination aus beiden Fähigkeiten. Wenn diese Ansätze integriert werden, können Sportler sich nach einer Niederlage konstruktiv motivieren. Die Kombination aus einem Wachstums-Mindset und Selbstmitgefühl ermöglicht es, Rückschläge in einen Lernprozess zu integrieren und gleichzeitig das emotionale Wohlbefinden zu wahren. Dazu ist das den Sportler unterstützende Netzwerk sehr hilfreich. Mit Trainern, Psychologen und ein weiteren Personen gewinnen Sportler so die mentale Flexibilität, die notwendig ist, um weiter an großen Zielen zu arbeiten.
Und auch Anna-Maria Wagner braucht ein solches Netzwerk. Über den Ausgang des letzten Turnieres sagt sie: „Bei der jetzigen Niederlage bei den Olympischen Spielen sitzt die Niederlage tiefer. Da genieße ich es gerade, dass ich so ein tolles Umfeld habe, dass sich um mich kümmert.“ Den Kopf in den Sand zu stecken, ist derweil auch gar keine Option, auch dann nicht, wenn Wagner dieses Jahr verletzungsbedingt keinen Wettkampf mehr bestreiten wird. Sie sagt: „Ich glaube, ich brauche einfach ein bisschen Abstand von den Spielen, dann kann ich auch rückblickend auf meine Karriere schauen und verdammt stolz darauf sein, was ich bisher erreicht habe.“
Auf eigene Stärken besinnen und neue Ziele setzen
Das klingt sinnvoll und nachahmenswert, auch für Nicht-Leistungssportler. Schließlich muss das Leben auch für jeden anderen irgendwie weitergehen. So sich aus dem Leistungssport vieles in den Alltag übertragen. So nutzen Leistungssportler eine Vielzahl von Techniken, um sich nach Enttäuschungen neu zu motivieren und ihre Resilienz zu stärken. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategien ist die Praxis der Achtsamkeit. Achtsamkeit bedeutet, sich bewusst auf den gegenwärtigen Moment und nicht auf den letzten Fehler zu konzentrieren. Und zwar ohne darüber zu urteilen. Durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen lernen Sportler, Gedanken und Emotionen zu beobachten, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Dies kann besonders hilfreich sein, um leistungsbezogene Nervosität und Stress zu reduzieren und ein Gefühl der Ruhe und Klarheit zu fördern.