Sie sind grün!

Eigentlich ist es faszinierend: Da wird Strom in gelb, rot, blau eingeteilt und beim Wasserstoff gibt es jetzt grün, blau und grau. Bei ersterer Energie war es nur ein Marketingtrick. Beim Wasserstoff geht es um das nachhaltige Herstellungsverfahren. Was es damit auf sich hat und wo Wasserstoff eingesetzt wird, hat luckx – das magazin recherchiert.

Klimaschutz malen mit Farben

Wenn wir unsere Strategie der Energieversorgung einmal an Pippi Langstrumpfs Welt anlehnen, so können wir uns die Welt Farben malen. Dabei reduzieren wir in diesem Artikel die Farbwelt auf grün, grau und blau.

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse (Aufspaltung von Wasser in seine Komponenten Sauerstoff und Wasserstoff) hergestellt. Erneuerbare Energiequellen wie Windkraft, Wasserkraft oder Sonnenenergie liefern den dafür benötigten Strom (Power-to-Gas-Technologie). Damit ist die Herstellung von grünem Wasserstoff CO₂-neutral, derzeit allerdings noch mit hohem Energieaufwand verbunden. In Deutschland gibt es momentan bereits 40 Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff (sog. Elektrolyseure).

Grauer Wasserstoff wird durch die Dampfreformierung fossiler Brennstoffe wie Erdgas, Kohle oder Öl erzeugt. Dabei entsteht als Abfallprodukt CO₂, das in die Atmosphäre abgegeben wird. Grauer Wasserstoff ist daher nicht klimaneutral.

Blauer Wasserstoff entsteht wie grauer Wasserstoff ebenfalls durch Dampfreformierung, allerdings wird das entstandene CO₂ danach unterirdisch gelagert (CCS-Technik – Carbon Capture and Storage, dt.: Kohlenstoffabscheidung und -speicherung). Es gelangt somit nicht in die Atmosphäre und ist damit ebenfalls klimaneutral.

Europas Energieziele

Europa befindet sich in einem Wettlauf: Einerseits ist da der Anspruch, globaler Vorreiter im Klimaschutz zu sein. Andererseits sind Europas Industrien stark unter Druck, vor allem durch hohe Energiekosten, schwache Infrastruktur und sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Zielkonflikt droht auch im Straßengüterverkehr – dem Rückgrat unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Was es jetzt braucht, ist eine Lösung, die ökologisch überzeugt, wirtschaftlich tragfähig ist und sich ins Gesamtsystem einfügt. Unser langfristiges Ziel ist ambitioniert wie wichtig: eine Wirtschaft ohne CO₂-Emissionen. Um dieses Ziel zu erreichen, reicht grüner (nachhaltig erzeugter) Strom allein nicht aus – es braucht auch grüne Moleküle. Wasserstoff (H₂) wird dabei eine Schlüsselrolle übernehmen müssen. Nicht nur im Transportsektor, sondern in nahezu allen energieintensiven Bereichen. Erneuerbarer Strom bildet die Grundlage vieler Anwendungen – doch er stößt insbesondere in Mitteleuropa an Grenzen, wenn es darum geht, Energie zu speichern, zu transportieren oder flexibel in großen Mengen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bereitzustellen. Dazu stellt Andreas Gorbach, Mitglied des Vorstands der Daimler Truck Holding AG, fest: „Europa importiert heute mehr als 50% seiner Primärenergie als Kohle, Öl und Gas – die wird sich kaum durch lokal erzeugten grünen Strom ersetzen lassen, zumindest wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen.“ Genau hier entfaltet Wasserstoff (und seine Derivate) sein Potenzial: Er lässt sich speichern, weltweit handeln und vielseitig nutzen – von der Industrie über die Stromerzeugung in sonnen- und windarmen Zeiten bis hin zum Straßengüterverkehr. Und das Beste daran: Sonne und Wind gibt es im Überfluss. Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung könnten so schon bald zu Exporteuren grünen Wasserstoffs werden – wenn sie ihre natürliche Energiequelle nutzen, statt ungenutzt mit der Sonne den Boden zu erwärmen.

Energie muss speicher- und transportierbar sein

Die gute Nachricht: Das passiert bereits. In Leuchtturm-Projekten, etwa in Saudi-Arabien, wird Strom aus großen Solar- und Windparks in Elektrolyseanlagen genutzt. Der dort erzeugte Wasserstoff wird anschließend weiterverarbeitet, beispielsweise zu Ammoniak, Methanol oder Flüssigwasserstoff. So entsteht Wasserstoff zu attraktiven Preisen von rund zwei Euro pro Kilogramm, teilweise sogar darunter. Auch beim Transport gibt es vielversprechende Initiativen. Unternehmen aus mehreren Ländern wollen noch vor 2030 Schiffe im Einsatz haben, die in großen Mengen Flüssigwasserstoff transportieren können – ähnlich wie heute Flüssiggas (LNG). Entscheidend wird nun sein, dass sich Energiepartnerschaften bilden, die einerseits die Initialkosten tragen können und die Produktions- bzw. Transportkette errichten und andererseits auch Abnehmer entsprechende Verträge eingehen.

Die schlechte Nachricht: Kritiker diskutieren noch immer viel zu viel im Kreis. Wirkungsgrad? Wirkung zählt. Denn wenn es um Wasserstoff im Lkw geht, dreht sich die Debatte oft noch um den Wirkungsgrad. Doch das greift zu kurz. Die sogenannte „Sun-to-Wheel“-Effizienz kann bei Batterie und Wasserstoff vergleichbar sein – abhängig davon, wo und wie die Energie erzeugt wird. Heißt: Wenn Wasserstoff in sonnenreichen Regionen wie Saudi-Arabien produziert wird, gleicht die hohe Effizienz in der Herstellung (mehr Sonne auf dem Solarpanel) die niedrigere Effizienz durch Umwandlungsverluste im Vergleich zum Batterieantrieb aus. Nicht genutzte erneuerbare Energie hat einen Wirkungsgrad von null. Allein im vergleichsweisen sonnenarmen Deutschland gingen im Jahr 2024 etwa 10 Terawattstunden – manche Quellen sprechen sogar von doppelt so viel – überschüssiger Ökostrom verloren, weil er nicht gespeichert wurde, zum Beispiel in Wasserstoff. Umgerechnet in Euro: etwa 2,8 Milliarden.

Drittens ist der weiter steigende Energiebedarf nicht die eigentliche Herausforderung – entscheidend ist, wie intelligent wir ihn bedienen. Dabei hilft Wasserstoff. Das sehen übrigens auch einige Energieversorger so – und investieren bereits heute in wasserstofffähige Kraftwerke. Fortsetzung hier.

Ein Gedanke zu „Sie sind grün!

Kommentare sind geschlossen.