Was heute mit einer Smartwatch einfach zu erledigen ist, begann in den 1980-er Jahren mit der Leistungssteuerung außerhalb von Laboren. Die finnischen Skilangläufer wollten der Laborsituation entfliehen, Leistungen messen und diese dokumentieren. Was heute möglich ist, hat luckx – das magazin recherchiert.
Große Herausforderungen
Die ersten Herzfrequenzmessgeräte außerhalb des Labors hatten die Größe eines damaligen Kofferradios. Das war unhandlich und schwer. Gemessen werden konnte einzig und allein die Herzfrequenz. Zwar war das damals schon ein riesiger Schritt in Richtung den bestehenden Anforderungen. Doch vergleichbar war es mit den heutigen Möglichkeiten nicht. Doch nach über 40 Jahren haben sich in vielen Sportarten Smartwatches und Wearables etabliert. Vom Freizeitsportler bis zum Profi messen gerade im Triathlon die Athleten damit nicht nur Distanz und Geschwindigkeit, sondern auch ihre Herzfrequenz und vieles mehr. Bei einem sinnvoll aufgebauten Training kann diese Technik eine große Hilfe sein. Doch wie genau messen die Geräte beim Laufen, Radfahren und Schwimmen? Darüber liegen nun von Professor Dr. Olaf Ueberschär, Professor für Mensch-Technik-Interaktion und Biomechanik an der Hochschule Magdeburg-Stendal und am IAT Leipzig, eine neue Studienergebnisse vor.
Material
Prof. Ueberschär und sein Team haben in einer aktuellen Studie mit 30 Sportlern (15 Frauen, 15 Männer) – vom Breitensportler bis zum Semi-Profi – 10 Smartwatches ausgiebig auf ihre Genauigkeit bei der Messung von Herzfrequenz, Distanzen (über globale Navigationssatellitensysteme, GNSS), Schwimmzugfrequenz und der Anzahl der Schwimmbahnen in einem offiziellen 50-m-Wettkampfbecken getestet. Im Test waren: Amazfit GTS3, Apple Watch SE, Fitbit Versa 4, Fossil Gen 6 Smartwatch, Garmin Forerunner 955 Solar, Garmin Venu 2, Huawai Watch GT 3, Polar Ignite 2, Samsung Galaxy Watch 4 und die Mi Watch. Sein Fazit: „Es gibt große Unterschiede in den Messungen und auch bei guten Geräten gibt es immer Sportler, bei denen zumindest die Herzfrequenzmessung nicht funktioniert“, so Ueberschär.
Vergleiche
Die optische Herzfrequenzmessung jeder Smartwatch wurde mit der eines Brustgurts verglichen, der zuvor mit einem klinischen EKG validiert worden war. Die Teilnehmer absolvierten fünf 3-Minuten-Intervalle auf einem motorisierten Laufband, um die Genauigkeit der Herzfrequenzmessungen zu bewerten. Darüber hinaus wurde für jede Smartwatch die Lauf- und Raddistanzmessung in ausgiebigen Überland-Feldversuchen im Gelände und im Stadion getestet.
Beispielsweise hat die Apple Watch bei der Herzfrequenz-Messung in Summe gut abgeschnitten, lag bei zwei Sportlern jedoch 40 Herzschläge über dem realen Wert. Bei zwei verschiedenen Garmin-Produkten stimmte die Herzfrequenz bei je 6 und 8 Sportlern nicht. Während klassische Brustgurte die Herzfrequenz noch relativ genau messen, gibt es am Handgelenk mit den Uhren nun große Abweichungen. Der Grund ist beim Laufen zum Beispiel die Relativbewegung zwischen Arm und Uhr, die zu Fehlinterpretationen als Pulsfrequenz führt. Auch Unterschiede im Unterhaut-Fettgewebe und in der Hautfarbe sind ausschlaggebend. Ueberschär zu den Testergebnissen: „Die praktische Konsequenz ist, dass jeder Sportler seine Herzfrequenz vorher immer mit einem EKG oder Brustgurt gegenmessen sollte, um die individuelle Messungenauigkeit seiner Smartwatch zu kennen.
Distanzmessung
Die GPS- und GNNS-Systeme können inzwischen alle ganz gut die Distanz messen. Die Wissenschaftler ließen die Sportler erst im Stadion laufen, später im profilierten Gelände mit Bäumen, Spitzkehren und einigen Höhenmetern. Dies erfolgte über sechs Läufe von 4000 m auf der Innenbahn eines offiziellen 400-m-Tartan-Wettkampfstadions, sechs hügelige Outdoor-Läufe über 3,4 km und vier Wiederholungen einer 36,8 km langen Rennradstrecke. Die Abweichungen zwischen den Uhren lagen zwischen 0,8 und 17 Prozent, im Mittel bei 5 Prozent von der realen Strecke. Der Grund hierfür ist die Ungenauigkeit in der Positionsermittlung über die Satellitensignal-Laufzeiten. Die Distanz ist jedoch entscheidend für die Trainingsgestaltung und die daraus abgeleitete momentane und durchschnittliche Bewegungsgeschwindigkeit der Athleten. Die Garmin Forerunner, Huawei und Apple Watch schnitten mit unter 1 Prozent Abweichung am besten ab.
Schwimmen
Drei Schwimmprotokolle von 200 m bis 400 m wurden dreifach in einem 50 m langen olympischen Wettkampfbecken durchgeführt. Dabei wurden die gemessene Distanz und die Anzahl der Schwimmzüge ausgewertet. Interne Sensoren detektieren jeweils Bewegungen und Richtungsänderungen. Bei 400 Meter Kraul nonstop schnitt nur die Garmin Forerunner gut ab, Polar und Fitbit lagen mit einer Bahn daneben. Ueberschär: „Sobald die Schwimmlage des Körpers im Becken jedoch geändert wurde, lag die Fehlerquote bei bis zu 100 Prozent. Die Uhren konnten weder den Schwimmstil noch die Distanz richtig erkennen“ Grund sind hier unter anderem fehleranfällige Algorithmen zur Analyse der Raumlagewinkel des Schwimmers, die das Drehen beim Lagewechsel, z. B. von Kraul auf Rücken, nicht von einer Wende am Bahnende unterscheiden können.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Messergebnisse bei einigen Smartwatches erheblich von den tatsächlichen Werten abweichen. Messungen beim Straßenradfahren über längere Distanzen mit nur wenigen Kurven waren genauer als die beim Laufen im Freien und sogar genauer als die auf der 400-m-Bahn. Beim Schwimmen wird die Genauigkeit der gemessenen Distanzen durch die Lagenwechsel bei den meisten Smartwatches stark beeinträchtigt. Wer nun als Gesundheitssportler oder Herzpatient sich solch ein Messgerät zulegen möchte, sollte unbedingt beim nächsten Arztbesuch – beispielsweise beim EKG, besser noch beim Belastungs-EKG – seine Sportuhr selbst validieren. Damit ist zumindest die Belastungssteuerung mit der Herzfrequenz besser steuerbar.