Pandemie fördert Heimwerken

Seit im März 2020 der erste Lockdown Deutschland und viele andere Länder zur Ruhe zwang, setzte ein Run auf die Baumärkte ein. So wurde gehämmert und gesägt, gestrichen und lackiert bis auch der letzte Winkel der eigenen Wohnung oder des zur Untätigkeit gezwungenen Restaurantbesitzers und Einzelhändler ihre Betriebsstätten hübsch gemacht hatten. Doch nicht nur dies war ein Ergebnis der Pandemie. Was sonst noch zu beobachten war, hat luckx – das magazin recherchiert.

Land oder Stadt?

Dass immer mehr Menschen dann sich auch für eine neue Wohnung „auf dem Land“ interessierten, war eine Erscheinung dieser Pandemie. Das geschah aber nicht nur als Gesundheitsvorsorge. Denn die Immobilienpreise explodierten schon seit Jahren. Und mit der angeordneten Homeoffice-Pflicht und dem Homeschooling entstanden andere Erfordernisse: Mehr Raum war erforderlich, ein eigenes Büro war fast schon die nächste „Pflichtübung“.

Wer dann das neue Domizil am Rande der Stadt auch beziehen konnte, hatte mehr Zeit fürs Heimwerken. Denn Fahrten zur Arbeitsstätte und zur Schule entfielen. Heimwerken war – und ist – angesagt. Von der Landflucht zur Landsehnsucht: Angesichts immer teurer und unwohnlicher werdender Städte, steigt bei den Menschen in Deutschland die Wertschätzung für die eigenen vier Wände und den eigenen Garten. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der aktuellen Delphi-Studie „Das Zuhause 2030“, die von der WHU Otto Beisheim School of Management im Auftrag der Einhell Germany AG durchgeführt wurde.

Mehr „Speckgürtel“ statt Hinterland

60 ausgewiesene Expertinnen und Experten für das Zuhause aus unterschiedlichsten Bereichen – von Architekten und Journalisten über Inhaber und Manager von Baumärkten sowie Medienschaffenden bis zu Werkzeugherstellern und namhaften Wissenschaftlern haben ihre Sicht der Dinge in die Delphi-Studie eingebracht und Szenarien für die Bedeutung des eigenen Zuhauses im Jahr 2030 entwickelt. Anders als bei Umfrage-basierten Studien diskutieren bei einer Delphi-Studie ausgewählte Experten über vorformulierte Zukunftsprojektionen und deren Eintrittswahrscheinlichkeit. „Für die Ergebnisse der Studie war es wichtig, Experten aus vielfältigen Gesellschaftsschichten und Branchen zu finden, um eine möglichst umfassende Perspektive auf das Thema zu bekommen“, betont der Studienleiter Professor Dr. Sascha L. Schmidt, Leiter des Center for Sports and Management der WHU Otto Beisheim School of Management.

So halten es die Experten übereinstimmend für möglich, dass sich der aktuelle Urbanisierungstrend umkehrt und bis 2030 mehr Menschen von der Stadt aufs Land ziehen als umgekehrt. Dahinter stehen einige signifikante Treiber: „Vor allem die vermeintliche Verbesserung der allgemeinen Lebenssituation durch Gewinnung von mehr Lebensraum auf dem Land überzeugt insbesondere Familien zunehmend und führt zu einer neuen Landsehnsucht. Aber auch weiter steigende Immobilien- und Mietpreise verdrängen zukünftig nicht nur Geringverdiener aus Städten und Metropolen“, sagt Studienleiter Professor Dr. Sascha L. Schmidt. So kostet etwa der Quadratmeter einer Immobilie in Köln 5250 Euro und in der rund 25 Kilometer entfernten Kleinstadt Kerpen 3250 Euro.

Zudem entfallen etwaige Handlungsbarrieren: In einer digitalisierten Welt steigen zum einen die Möglichkeiten für Home-Office-Aktivitäten. „Work-from-Home“ wird demnach für immer mehr Menschen zum Alltag. „In 2030 verbringt jeder zweite Arbeitnehmer seine Arbeitszeit vollständig Zuhause“, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Zudem wird die notwendige Infrastruktur für Lieferdienste und Verkehrsanbindungen in den kommenden Jahren weiter aufgebaut. Allerdings differenzieren die Expertinnen und Experten in ihrer Beurteilung zwischen Land und dem „Speckgürtel“ der Städte – und halten Umzüge in die Speckgürtel (Beispiel Kerpen) für deutlich realistischer als eine Flucht aufs Hinterland.

Von Do-it-Yourself zur Creator Economy

Das führt laut der Studie dazu, dass in 2030 die Wertschätzung für die eigenen vier Wände und den eigenen Garten steigt und die Bewohner signifikant mehr in die Modernisierung und Sanierung des eigenen Zuhauses als heute investieren. Angetrieben wird diese Entwicklung unter anderem durch den sich noch verstärkenden Trend zum do-it-yourself (DIY). „Sich in den eigenen vier Wänden und im Garten kreativ zu verwirklichen, wird für immer mehr Menschen Teil ihres Lebensinhalts. Daher werden 2030 DIY-Aktivitäten zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten in Deutschland zählen“, so Schmidt. Im Zuge der Umbaumaßnahmen wird das Zuhause auch gleich zum „Smart Home“ ausgebaut. „In 2030 sind mindestens 80 Prozent aller Wohnungen in Deutschland smart. Spürbare Effizienzvorteile überzeugen die Anwender zunehmend und eine sukzessive Verbesserung des Preis-Leistung-Verhältnisses entsprechender Produktangebote ist wahrscheinlich“, so ein weiteres signifikantes Ergebnis der Studie.

Die bereits heute lebendige DIY-Bewegung entwickelt sich dabei sukzessive zur „Creator Economy“. „In 2030 verbringen Menschen in Deutschland mindestens 75 Prozent ihrer Zeit Zuhause und das Zuhause ist das primäre Statussymbol in den sozialen Medien“, sagt Schmidt. „Die Menschen sind stolz darauf, was sie mit den eigenen Händen geschaffen haben und zeigen das auch gerne dem Rest der Welt. Die Akzeptanz und Authentizität des Zuhauses als Wohlfühlort werden damit zur natürlichen Bühne für Social-Media-Aktivitäten.“