Land der Autofahrer

Autofahren scheint nicht mehr gut anzukommen. Sogar auf der IAA-Mobility in München wird gegen Deutschlands wichtigsten Wirtschaftsbranche mit Fahrrädern und Sitzblockaden demonstriert. Dabei ist Deutschland ein Land der Autofahrer, wie luckx – das magazin recherchierte.

PKW-Bestand

Mit einer Pkw-Dichte von 583 Autos pro 1.000 Einwohner (5 mehr als 2021) besitzt in Deutschland mehr als jeder Zweite ein Auto (Kinder und Hochbetagte eingerechnet). Der Pkw-Bestand ist in den letzten Jahren stetig gestiegen und zeigt, dass – trotz Klimadebatte, verstopfter Innenstädte und der vermeintlich autokritischen Generation Z – von Automüdigkeit in Deutschland nicht die Rede sein kann. Auch wenn im letzten Jahr die Förderung der E-Mobilität zu einer Rekordzulassung von E-Fahrzeugen geführt hat, ist aufgrund der Prämienkürzungen dieses Jahr die Zulassung von E-Fahrzeugen eingebrochen. Wie Ladenhüter stehen sie auf den Herstellerparkplätzen. Das schlägt sich dann auch am Anteil des gesamten PKW-Bestandes nieder. Rund 4 Prozent der fast 50 Millionen PKW sind E-Fahrzeuge. Hier drängt sich der Vergleich zum alkoholfreien Bier auf. Ebenfalls rund 4 Prozent des Gesamtausstoß in Deutschland sind alkoholfreie Biere. Und jeder weiß, dass Alkohol gesundheitsschädlich ist. Trotzdem ist die Nachfrage gering.

Gleiches – was die Nachfrage betrifft – gilt auch für E-Fahrzeuge. Aufgrund des im Betrieb geringer oder keiner Schadstoffemission sollen sie zum Klimawandel beitragen. Doch aufgrund des hohen Stromverbrauchs, der weiterhin in Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken erzeugt wird, ist mit einem Klimawandel nicht zu rechnen. Darüber hinaus transportieren dieses Fahrzeuge über 700 Kilogramm Batterien mit, welche ebenfalls zum hohen Stromverbrauch beitragen. Ein schneller Wandel und damit zu einer Reduzierung der Emissionen ist kurzfristig nicht absehbar. So erscheint es weiterhin sinnvoller, auf Diesel und Benzin zu setzen bis nachhaltig erzeugter Strom und Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Schon heute ist deren Ausstoß auf den Lebenszyklus gesehen deutlich geringer als bei E-Fahrzeugen.

Auto beliebtestes und wichtigstes Verkehrsmittel

Das Auto ist weiterhin mit großem Abstand das wichtigste Verkehrsmittel im Personenverkehr. Laut aktuellem DAT-Report ist für 77% der Befragten das eigene Auto unverzichtbar, um die Mobilität im Alltag sicherstellen zu können. Im Jahr 2021 entfielen knapp 87% der gesamten Verkehrsleistung im Personenverkehr auf den sogenannten motorisierten Individualverkehr (MIV; überwiegend Pkw). Dieser hohe Anteil ist zwar auch durch die Corona-Krise zu erklären, weil einige Menschen wegen der Ansteckungsgefahr öffentliche Verkehrsmittel gemieden haben. Aber schon vor Corona kam der MIV auf einen Anteil an der Verkehrsleistung von mehr als 78% (2019). Der ÖPNV erreichte damals einen Anteil von 9,8% an der Verkehrsleistung. Dies zeigt, dass der ÖPNV (gerade im ländlichen Raum) nur sehr begrenzt in der Lage wäre, große Teile der Verkehrsleistung des MIV aufzunehmen.

Corona, Energiekrise, Krieg in der Ukraine, unterbrochene Lieferketten, wirtschaftliche Unsicherheit führen zu einem älteren Fahrzeugbestand. Anfang 2023 lag das Durchschnittsalter der Pkw im Bestand laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei 10 Jahren. Dies ist ein neuer Rekordwert. Seit 2014 hat sich das Durchschnittsalter um 2,7 Jahre (+20,5%) erhöht. Das steigende Durchschnittsalter ist hinsichtlich der Qualität und Haltbarkeit der Fahrzeuge ein äußerst positives Zeichen. Von 1998 bis einschließlich 2018 lag die stückzahlmäßige Pkw-Fertigung in Deutschland (mit Ausnahme von 2009) stets über der Marke von 5 Mio. Einheiten. In den Jahren 2020 bis 2022 liefen im Durchschnitt jedoch nur knapp 3,4 Mio. Autos pro Jahr von den Fertigungsbändern (Tiefpunkt 2021 mit 3,1 Mio. Pkw). Auch in der EU insgesamt wurde die Automobilproduktion durch die Schocks in Mitleidenschaft gezogen. Bei einem derart deutlichen Rückgang des Angebots müssen potenzielle Autokäufer zwangsläufig länger auf Neuwagen warten und ihre bisherigen Fahrzeuge länger nutzen.

Deutliche Preissteigerungen

Das knappe Angebot der letzten Jahre spiegelt sich auch in den Preisen für Neu- und Gebrauchtwagen wider. Im 1. Halbjahr von 2023 lagen die Preise für neue Pkw laut Statistischem Bundesamt um knapp 16% über dem durchschnittlichen Niveau von 2020. Bei Gebrauchtwagen waren es sogar 33,5%, denn auch hier sorgt die gesunkene Pkw-Produktion indirekt für Knappheiten. In der Folge fielen 2022 die Pkw-Besitzumschreibungen um 15,8% auf 5,6 Mio. Dies ist ein neuer Tiefstand im wiedervereinigten Deutschland.

Der Preisanstieg bei Autos ist auch in absoluten Zahlen beeindruckend: Laut DAT-Report stieg der Durchschnittspreis für neue Pkw zwischen 2013 und 2022 von EUR 27.030 auf EUR 42.790 (+58%). Bei Gebrauchtwagen lag der Durchschnittspreis 2013 bei EUR 9.420. Im letzten Jahr waren schon EUR 18.800 zu berappen (+100%). Noch im Jahr 2019 waren 44% aller gehandelten Gebrauchtwagen im Preissegment bis EUR 10.000 angesiedelt. 2022 waren es nur noch 23%. Wird fortgesetzt.